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Stammriegen Flip Flop Reise

Wenn das Gute doch so nah liegt, geht die Stammriege an den Obersee.

Stammriegen Flip Flop Reise
„Nichtschwimmer sollen sich zu Hause verabschieden, man weiss nie!“ Mir lief es kalt den Rücken hinunter, als ich diesen Satz auf Guidos Einladung zum Stammriegen Flip Flop Reisli las. Ich erinnerte mich an den Schwimmtest in der Schule, bei dem ich mich lediglich für das Bronze Fischli qualifizierte, und dies auch nur auf Bahn 1, wo man sich auf der 50 Meter Strecke immer wieder am Bassinrand festhalten konnte. Würde ich diesen Tag also überleben und heute Abend wieder nach Hause kommen? Es wurde ein tränenreicher Abschied von meiner Frau.
 Im Rucksack verstaut die „wasserresistenten Badeschlarggen“ gemäss Checkliste, Badehosen, Tüechli und Sonnenhut treffen wir uns am Samstagmorgen auf dem Bahnhof Rüti. Corona-konform mit Maske ausgerüstet nehmen wir den Zug nach Schmerikon, wo wir nach einem kurzen Spaziergang am Hafen anlangen. Unglaublich, die vielen auf Hochglanz polierten Boote, welche da liegen. Meine Bedenken verfliegen, Freude herrscht, es wird also doch nicht so schlimm werden. Wir passieren all diese herausgeputzte Herrlichkeit bis ganz zuhinterst. Da wo es nicht mehr weiter geht, liegt unser Schiff. Ein Weidling. 120 Jahre alt. Und gut gefüllt mit Seewasser. Bitte nicht! Aber es gibt kein Zurück. Zwei wackere Mannen beginnen gleich mit dem Lenzen und schütten Kübel um Kübel zurück in den See, dorthin, wo Seewasser hingehört. Das zweite Boot ist auch bereits startklar, Aussenbordmotoren mit stolzen 9 PS heulen auf und entfalten ihre volle Kraft, wir gleiten über den fast wellenlosen Obersee nach Bolligen zur Bauernbeiz „Wirtschaft zum Hof“. Eine erste Flasche gut gekühlter Weisswein hat diese Überfahrt nicht überlebt und muss entsorgt werden. Wir lassen uns an der schön gedeckten Festbank nieder und geniessen ein währschaftes Bauernfrühstück.

Gut gesättigt spazieren wir zurück zur Bootsanlegestelle, schöpfen das Wasser aus dem Weidling als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre und fahren mit den Booten weiter zum Steinbruch der Firma J.& A. Kuster, welcher ganz in der Nähe liegt. Nach einem kurzen Waldspaziergang sind wir am Eingang, wo wir von Christian Kuster, dem Leiter der Natursteingewinnung, empfangen werden. Seit 1882 gewinnt und verarbeitet die Firma Kuster Sandstein im Raum oberer Zürichsee. Christian ist ein Vertreter der 4. Generation, seine noch kleine Tochter Barbara hat er ebenfalls mitgenommen, sie wird das Unternehmen vielleicht einmal weiterführen. Christian ist ein Unternehmer, der das Handwerk mit Sandstein in den Genen trägt. Während er uns in den mächtigen Stollen führt, welcher etwa zwanzig Meter unterhalb der Vegetationsschicht des Lehholz-Waldes liegt, erfahren wir von ihm allerlei Wissenswertes. Einer der wichtigsten Gründe für den unterirdischen Abbau war der Landschaftsschutz, so war unter anderem keine Rodungsbewilligung einzuholen. Da die qualitativ besten Sandsteinschichten ab einer Tiefe von etwa 15 Metern abgebaut werden können, hätte man im Tagebau zuerst Tausende von Tonnen Erde entfernen und wieder deponieren müssen, was sehr kostspielig gewesen wäre. Der Untertagabbau macht es auch möglich, das ganze Jahr hindurch zu arbeiten. Der Stollen ist bereits etwa 200 Meter lang und soll nach eingegangener Bewilligung noch wesentlich tiefer getrieben werden. Steinblöcke mit einem Gewicht von bis zu 20 Tonnen werden von Maschinen mit imposanter Grösse aus dem Berg gefräst. Über 3 Meter lange Sägeschwerte arbeiten sich stetig vorwärts bis eine Abbauetappe mit einem Volumen von rund 120 Kubikmetern und einem Gewicht von zirka 320 Tonnen aus dem Berg geholt werden kann. Ein spannender und lehrreicher Ausflug in eine unbekannte Welt. Ach ja, fast hätte ich vergessen zu erwähnen, wozu die „Badeschlarggen“ gut waren. Das Wasser im Stollen war teilweise knöcheltief und mit den Flip Flops konnten wir einfach hindurchwaten.
 
Langsam macht sich der Hunger bemerkbar und wir fahren mit den beiden Booten auf die gegenüberliegende Seeseite zum Fusse des Buechbergs. Natürlich erst, nachdem wir die nun bestens bekannten Vorbereitungen abgeschlossen haben, welche den Weidling seetüchtig macht. Es ist ein perfekter Spätsommertag verwöhnt von viel Sonne und wir lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen, im See ein Bad zu nehmen, vielleicht das Letzte für dieses Jahr. Jonas ist wieder einmal mit dem Lastwagen zum Metzger gefahren um für uns einen Grosseinkauf zu tätigen und das Feuer hat er auch bereits entfacht. Auf dem Grill brutzeln Schweinsplätzli und Kalbsbratwürste. Dazu gibt’s ein kaltes Bier. Ein herzliches Dankeschön an Jonas für die Gourmetverpflegung!
 
Am späteren Nachmittag machen sich die zwei in der Zwischenzeit geübten Wasserschöpfer daran, den Weidling klar zu machen für eine letzte Überfahrt zurück in den Hafen von Schmerikon. Nach einem Pit Stop an der Schmeriker Biertankstelle Pier 8716 geht es mit dem Zug zur Rütner Biertankstelle im Viva. Dank der minutiösen Planung von Guido, welchem ich an dieser Stelle ein grosses Dankeschön aussprechen möchte, sitzen wir kurz darauf im Löwen zu einem feinen Abendessen. Zum Ausklang des Tages findet noch das eine oder andere Wässerchen den Weg die Kehle hinunter. Es war ein wunderbarer Ausflug der Stammriege, welche noch lange in Erinnerung bleiben wird. Ebenso lange, wenn nicht gar länger, wird der Tag kalorienmässig verbucht werden müssen. Um diese unerwünschten Spuren zu beseitigen empfiehlt sich ein regelmässiger Besuch der Turnstunde am Dienstagabend, punkt 20:00.
 
 
Noch eine kurze Anmerkung zum Schluss – ich war heilfroh, trotz dieses Hochrisiko-Wasser-Tages kurz vor Mitternacht (wenn auch nicht ganz trocken) zu meiner Frau ins Bett schlüpfen zu dürfen.
 
Hans Jörg Burkhard